Wir haben im Laufe unseres Lebens, vor allem in der Kindheit oft aus Angst vor Zugehörigkeitsverlust und Liebesentzug, gelernt, Anteile unseres Wesens, die von der Umgebung abgelehnt wurden, zu verdrängen oder zu unterdrücken. Diese nicht gelebten und großteils vergessenen Anteile bräuchten wir jedoch, um uns runder und vollständiger zu fühlen, denn sie gehören ursprünglich zu unserem Wesen dazu. Durch das Verdrängen und Unterdrücken sind sie allerdings nicht verschwunden.
Über die unterdrückten Anteile haben wir sogar noch etwas Bewusstsein, da sie uns als eigene Empfindungen immer wieder begegnen. Wir wissen, dass es besser ist diese zu unterdrücken, da es unangenehme Folgen haben könnte, sie auszuleben. Wir haben nie gelernt, sie zu unserem Besten einzusetzen. Deshalb kommen sie wenn, in einer ungünstigen Form zum Vorschein. Meist ist das in Momenten, in denen wir nicht mehr ganz die Kontrolle über uns haben, z.B. erschöpft sind und der berühmte Tropfen, der das Faß zum überlaufen bringt hinein getropft ist. Oder wir tun etwas heimlich, da wir wissen, dass es von der Umwelt nicht gewünscht wird. Das heisst, sie sind noch im Blick, sind nicht aus dem Bewusstsein verschwunden und man hat sie auch meist unter Kontrolle.
Über das Verdrängte gibt es kein Bewusstsein mehr, wir haben es in uns aus dem Blick verloren. Manches davon haben wir ins Aussen verlagert, wo es uns z.B. am Gegenüber in Form einer Projektion, von etwas, das wir ablehnen oder faszinierend (goldene Schatten) finden, begegnet.
Menschen, Dinge, Tiere, auch Phantasiegestalten, auf die wir emotional reagieren, können diese unterdrückten und verdrängten Energien widerspiegeln. Das Verdrängte ist in uns unerkannt eigenläufig unterwegs und sucht nach Entladung, drängt ins Leben.
Durch die Arbeit mit diesen Projektionsenergien, wir können sie auch Schatten nennen, können wir unser Selbstbild erweitern und uns ausdehnen. „Wir sammeln uns ein, holen uns heim“ (frei nach Harald Reinhardt). Dabei ist es wichtig, die archetypische Kraft in dem uns Begegnenden zu erkennen, und diese uns entsprechend ins eigene Leben zu integrieren.
Auch in der Faszination von etwas, ist eine bestimmte Qualität von uns nach Aussen verlagert. Es kann sein, dass sie schon in einer gewissen Weise gelebt wird. Wenn wir uns ihrer bewusster sind und ihre eigentliche Qualität erkennen, können wir sie eher am richtigen Platz in unseren Dienst stellen.
Inzwischen gibt es empirische Forschungsergebnisse, die diese Schattentheorie (nach C.G.Jung) bestätigt. Zum Beispiel wurde in Experimenten nachgewiesen, dass beim Versuch etwas, z.B. einem Gedanken, zu unterdrücken, genau das Gegenteil passiert. Das Unterdrückte drückt sich trotzdem ins Bewusstsein. Das wird von der Wissenschaft „ironischer Effekt“ genannt (Daniel M. Wegner).
In Experimenten, in denen Gefühle unterdrückt werden sollten, nach dem sie empfunden wurden (während des Schauens eines Horrorfilms die Gefühle empfinden, sie danach aber unterdrücken), konnte nachgewiesen werden, dass unterdrücken von starken Gefühlen möglich ist, aber dann auf körperlicher Ebene eine meßbare Reaktion stattfindet. So weiß man heute auch, dass die Unterdrückung von Traurigkeit über eine längere Zeit zu gesudheitlichen Problemen wie z.B. Bluthochdruck oder Asthma führen kann.
Eine Unterdrückung oder gar Verdrängung von ungeliebten, abgelehnten Anteilen kann also eine unangenehme Auswirkung auf unsere Psyche und unsere Gesundheit haben. So ist es empfehlenswert sich diesen Anteilen in uns zu zuwenden und herauszufinden, was die in ihnen versteckte Ressource ist, die unser Leben bereichern kann und uns wieder ein Stückchen vollständiger werden lässt.
Ulrike Mang
Das Foto entstand in Seefeld während des Maskenbaus auf dem „Schatten-Kurs“ des Instituts für Psychosynthese und Transpersonale Psychologie